Leben und Wirken
Über das Leben Platons kann einiges gesagt werden; nicht alles davon ist wahr, denn die Quellenlage gibt nicht immer das her, was man von ihr erwartet. Für interessierte Leser habe ich daher einige Anmerkungen zur Quellenlage weiter unten auf dieser Seite zusammengetragen.
Übersicht: Quick ’n‘ dirty
Für das allseits beliebte „5-Minuten-Referat“ über Platon die wichtigsten Lebensereignisse und -daten übersichtlich tabellarisch zusammengestellt:
Geburtsjahr | ca. 428/427 v. Chr. |
Geburtsort | Athen oder Aigina |
Gestorben | 348/347 v. Chr. |
Gestorben in | Athen |
Familie | Vater: Ariston Mutter: Periktione Geschwister: Glaukon und Adeimantos (Brüder), Potone (Schwester), Antiphon (Halbbruder) Weitere Verwandte: Kritias und Charmides (Onkel), Speusipp (Neffe) |
Weitere Daten |
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Leben Platons
Geburt und Tod
Die genauen Lebensdaten Platons sind schwierig festzusetzen, da die uns erhaltenen antiken Quellen nur das Todesjahr Platons übereinstimmend benennen; obendrein ist die Zeitrechnung eine andere in diesen antiken Quellen, denn das attische Jahr, von dem sie ausgehen, beginnt gegen Ende des Monats Juni in unserer Zeitrechnung.
Für Platon wird das erste Jahr der 108. Olympiade als Todesjahr festgesetzt, er starb also zwischen Ende Juni 348 und Ende Juni 347 v. Chr. In welchem Alter er starb – und damit wird auch die Frage nach seinem Geburtsjahr gestellt – ist den Quellen nicht übereinstimmend zu entnehmen; es wird ein Todesalter von 80, 81, 82 oder 84 Jahren genannt, heute nimmt man an, dass der Tod im 81. Lebensjahr am wahrscheinlichsten ist, folglich setzt man das Geburtsjahr auf 428 bzw. 427 v. Chr (vgl. Horn, Müller und Söder (2009, S. 1)). Dass man hierüber aber noch keine endgültige Einigkeit hat erzielen können, mag der geneigte Leser vielleicht an den Links unten auf dieser Seite ablesen: Wikipedia nimmt 428/7 als Geburtsjahr an, während Richard Kraut für die Stanford Encyclopedia of Philosophy als Geburtsjahr „429?“ (Fragezeichen im Original) vermerkt. Der englische Wikipedia-Artikel erwähnt gar 424/423 v. Chr als Geburtsjahr.
Seinen Lebensmittelpunkt hatte Platon in Athen, wo er vermutlich geboren wurde (Diogenes Laertios widerspricht dem und setzt den Geburtsort Platons in Aigina, vgl. Bormann (2003, S. 7)). Seinen Lebensabend verbrachte er dort und starb auch in Athen, seine letzte Ruhe sollte er nahe der von ihm gegründeten Akademie (siehe weiter unten) finden.
Leben
Im Gegensatz zu seinem Lehrer Sokrates dürfte Platon nie Geldmangel erlebt haben: Seine Familie galt als einflussreich und hatte einigen Wohlstand aufzuweisen. Seine beiden Onkel, Kritias und Charmides, haben mitgewirkt im oligarchischem Terrorregime der so genannten Dreißig (später auch die Dreißig Tyrannen genannt), bei deren Sturz sie starben. Sowohl Platons Vater Ariston als auch seine Mutter Periktione entstammten wohlhabenden und vornehmen Familien; ob sie ebenfalls politisch aktiv waren und, falls sie es waren, in welchem Umfang, ist jedoch nicht bekannt. Demgegenüber soll Platon selbst bereits mit Erreichen der Volljährigkeit erste politische Ambitionen gezeigt haben.
Eine Ehe hat Platon nie geführt, und er soll auch keine Kinder gehabt haben. Beides scheint ungewöhnlich für einen Sprössling aus so vornehmem Hause. Eine Auflösung dieses Paradoxons könnte man in der Politeia suchen:
„Hiermit nun, sprach ich [scil. Sokrates], und mit dem übrigen Vorhergegangenem hängt meiner Meinung nach zusammen folgende Einrichtung. […] Daß die Weiber alle allen diesen Männern gemeinsam seien, keine aber irgendeinem eigentümlich beiwohne, und so auch die Kinder gemeinsam, so daß weder ein Vater sein Kind kenne, noch auch ein Kind seinen Vater.“
Aus: Platon, Rep. V, 457 c–d. In: Platon (2011).
Die Frauen- und Kindergemeinschaft ist für Platon integraler Bestandteil eines guten Staates, und man kann absehen, dass ihm die Institution der Ehe wohl weniger wichtig war als z. B. den Christen der darauffolgenden Jahrhunderte.
Nach seinem Tode übernahm Platons Neffe Speusipp, Sohn seiner Schwester Potone, die von Platon um 387 v. Chr. gegründete Akademie. Uns bleibt nur übrig, zu vermuten, dass die Akademie einem (männlichen) Nachfahren Platons übergeben worden wäre, wenn er einen gehabt hätte. Der Name Akademie leitet sich aus deren Lage ab; sie lag etwas außerhalb der Stadtmauer Athens im Nordwesten, und bestand aus einer Art Parkanlage mit einem Gymnasion (ein Vorläufer der deutschen Schulform), das nach dem Heros Akademos benannt war.
Der Unterricht an der Akademie war kostenlos, die Schule wurde durch Platons Privatvermögen sowie durch freiwillige Obolus und Spenden finanziert. Dies ist nur konsequent, denn es waren doch die Sophisten, quasi der Erzfeind der Philosophen, die für ihre Lehren Geld verlangt haben, nur um am Ende denen, die sie bezahlten, nach dem Munde zu reden. Allerdings hebt sich die Akademie damit auch hervor, denn Bildung im Athen zu Platons Lebzeiten war Privatsache: Mädchen wurden zur Führung des Haushaltes erzogen und bekamen nur in Ausnahmefällen eine Grundbildung vermittelt. Für Jungen war das Erlernen von Lesen und Schreiben üblich, danach jedoch mussten die meisten bereits einen Beruf erlernen, denn die Finanzierung der Bildung trug nicht, wie heute, der Staat, sondern jeder Bürger selbst (für Kinder entsprechend die Familie). Nur wenigen Wohlhabenden wird eine ähnlich umfassende Bildung zuteil geworden sein wie Platon (vgl. Horn, Müller und Söder (2009, S. 10 f.)).
Aufschluss darüber, was man als betuchter Bürger in Athen gelernt haben dürfte, gibt Platon uns selbst in der Politeia. Darin erklärt er zugleich auch, wie er sich die ideale Bildung des Staatsbürgers vorstellt; unserer heutigen Auffassung von Bildung würde die seine wohl stellenweise strikt zuwiderlaufen. So plädiert er z. B. dafür, Stellen aus den Werken großer Dichter zu kürzen, die die Götter verunglimpfen, denn die Jugend soll nicht schlecht über die Götter denken. Unseren heutigen Maßstäben nach würde man von Zensur sprechen.
Sizilische Reisen
Über die Reisen nach Sizilien wissen wir vornehmlich aus Platons Briefen, deren Echtheit jedoch im Zweifel steht (vgl. Bormann (2003, S. 7) sowie die Anmerkungen zur Quellenlage unten).
Für Platons erste Reise nach Sizilien, die ca. 388/387 v. Chr. stattgefunden hat, sind die Gründe nicht endgültig klar, angenommen werden darf sicherlich, dass er einige Kontakte zu den Pythagoreern knüpfen wollte, die er sehr bewunderte. Ob er politische Beziehungen zu Dionysios I. hat knüpfen wollen, ist ungewiss, der Besuch am Hof in Syrakus endete jedoch im Debakel: Auf ein Schiff nach Aigina gebracht wurde er dort auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf angeboten. Ein Mann aus Kyrene, Annikeris, kaufte ihn und schenkte ihm, sobald er erkannte, wen er da gekauft hatte, die Freiheit.
Die zweite Reise (366 v. Chr.) erlaubte sich Platon erst nach dem Tode des Dionysios I. Dessen gleichnamiger Sohn, Dionysios II., hatte auf Anraten Dions, der bei dessen ersten Reise freundschaftliche Bande zu Platon geschlossen hatte, diesen an den Hof gerufen, um für seine Reformvorhaben Rat von ihm zu erhalten. Platons politische Ideale, wie man sie in der Politeia nachlesen kann, sollten hier ihre Praxistauglichkeit beweisen. Jedoch kam es zu Uneinigkeiten zwischen Platon und anderen Beratern des Dionysios, infolge derer sich auch ein Bruch zwischen Dion und Dionysios ereignete; dieser verbannte jenen des Landes, Platon wurde jedoch als Gast und Gefangener am Hofe behalten und konnte erst 365 v. Chr. wieder nach Athen zurückkehren.
Als Dionysios II. Platon 362 v. Chr. erneut an den Hof nach Syrakus einlud, hatte dieser starke Bedenken, der Einladung zu folgen. Dionysios machte aber das Angebot, über die Aufhebung der Verbannung Dions zu diskutieren, sofern die Einladung nur angenommen würde. 361 v. Chr. machte Platon sich dann, auch auf Drängen Dions hin, erneut auf die Reise. Das Angebot des Dionysios entpuppte sich aber alsbald als trügerisch, denn er hegte keinerlei Absichten, seinen innenpolitischen Gegner Dion tatsächlich wieder nach Syrakus zu lassen. Der Versuch Platons, den Hof in Syrakus so schnell wie nur möglich wieder zu verlassen, wurde wieder und wieder von Dionysios verhindert; erst die Hilfe des Archytas und anderer Freunde aus Tarent, denen er einen Brief schickte, ermöglichte ihm die Abreise.
Den Rest seines Lebens ab ca. 360 v. Chr. verbrachte Platon sodann, wie oben schon geschildert, in Athen.
Werk Platons
(Folgt.)
Anmerkungen zur Quellenlage
Über Platon sichere Informationen zu erhalten ist schwierig, insofern er selbst über sein Leben wenig preisgegeben hat. Biographien fremder Autoren können adäquat sein, doch je näher sie (zeitlich gesehen) Platon stehen, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch Ab- oder Zuneigung gefärbt sind und einige Darstellungen folglich ins Reich der Mythen gehören; je weiter sich Biographen allerdings zeitlich von Platon entfernen, umso größer zwar der soziale Abstand, aber umso unsicherer auch die Lage der Quellen für diese Autoren. Entweder bauen sie auf Quellen auf, die näher an Platon veröffentlicht wurden (und übernehmen daher die eben genannten Probleme dieser Platon nahen Autoren), oder aber sie nutzen Quellen fraglichen Ursprungs.
Selbst Dokumente, die von Platon selbst zu stammen scheinen, können nicht zwingend als sichere Quelle angesehen werden (vgl. Ritter (1910, S. 7–11)). Von den mutmaßlichen Briefen Platons sind viele widersprüchlich und nur einige werden als potenziell authentisch gesehen; auch die uns bekannten Dialoge sind, wie uns die Platon-Forschung zeigt, nicht alle aus seiner Hand. Vielmehr gab es Zeiten, in denen es Gang und Gäbe war, zur Einübung der philosophischen Methode (bei Platon die sog. Dialektik) den dialogischen Stil Platons zu imitieren, was einigen offenbar so gut gelang, dass ihre Dialoge später für die Platons gehalten wurden. Unabhängig jedoch von der Autorenschaft einzelner Dialoge ist ihnen das „Problem“ gemein, dass sie fast nichts über das Leben Platons preisgeben (was sie auch nicht müssen, schließlich waren sie nicht als Autobiographie gedacht).
Einen Überblick über Platons Leben versucht man aufgrund der eben geschilderten schwierigen Quellenlage zumeist, indem man die offenkundig richtigen Lebensdaten (also all jene, die sich auch über mehrere unabhängige Quellen bestätigen lassen) verwendet und aus ihnen Schlüsse zieht über die weniger verbrieften Informationen, die uns vorliegen. Aber selbst unter Vermeidung von Widersprüchen kann es immer noch sein, dass einige Informationen zu Platon, von denen wir annehmen, dass sie wenigstens zutreffen können, frei erfunden sind.
Literatur
- Bormann, Karl (2003): Platon. 4. Aufl. München.
- Horn, Christoph, Jörn Müller und Joachim Söder (Hrsg., 2009): Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart.
- Platon (2011): Politeia. In: Platon. Sämtliche Werke. Band 2. Hrsg. von Ursula Wolf, übersetzt von Friedrich Schleiermacher. 33. Aufl. Reinbek bei Hamburg.
- Ritter, Constantin (1910): Platon. Sein Leben, seine Schriften, seine Lehre. Erster Band. München.
- Russel, Bertrand (2004): Philosophie des Abendlandes. Übersetzt von Elisabeth Fischer-Wernecke und Ruth Gillischewski. München.